Das zweite Teilprojekt hat die von der Schulleitung verwendeten Informationssysteme betrachtet. Es wurde gefragt, wie sich die Organisation von Schulen durch den Einsatz von Daten und Algorithmen verändert und welche Rolle Softwareentwickler*innen dabei spielen.
Die datengestützte Entscheidungsfindung hat sich zu einer einflussreichen Praxis für die Organisation von Schule entwickelt. Digitale Bildungsdaten werden innerhalb von Schulinformationssystemen erhoben, verarbeitet und zur Weitergabe aufbereitet. Zunehmend werden Entscheidungen an datenbankgestützte Analyse-Software delegiert. Damit stellen sich Fragen bzgl. der Rolle von Akteuren, die die Deutungshoheit über Algorithmen und Bildungsdaten haben. Datenlieferanten (Softwareunternehmen, staatliche und nicht-staatlich geförderte Forschungseinrichtungen), stehen jedoch oft hinter den Kulissen. Ausgangspunkt des TPs war also die Beobachtung, dass die zunehmende digitale Datenerfassung das Management von Schulen grundlegend verändert hat, die kritische Auseinandersetzung mit Dateninfrastrukturen aber keine ausreichende (wissenschaftliche) Beachtung findet.
Daher untersuchte das TP die Veränderungen im Schulmanagement durch die fortschreitende Digitalisierung an Schulen. Im ersten Schritt wurden die in den jeweiligen Bundesländern angebotenen bzw. entwickelten Schulinformationssysteme gesichtet, involvierte Akteure (z.B. Projektleiter und andere Akteure in Kultusministerien, Softwareanbieter, Entwickler*innen, …) systematisch identifiziert und eine erste Dokumentenanalyse durchgeführt. Im nächsten Schritt (Schritt 2) wurden die Schulinformationssysteme im Sinne einer Softwareanalyse (software studies) untersucht. Dies beinhaltete die Analyse von Software-Spezifikationen und Dokumentationen zum Verständnis der Kernfunktionalitäten. Darauf aufbauend (Schritt 3) wurden Interviews mit verschiedenen Akteuren im Entwicklungsprozess durchgeführt. Diese dienten der Identifikation von Motivationen hinter den Spezifikationen von Algorithmen, um den Zweck und die zugrundeliegenden Annahmen zu rekonstruieren. Der Fragenkomplex für Schritte 2 und 3 umfasste: Welche Ziele haben die Softwareanbieter bzw. Akteure in den Kultusministerien in Bezug auf (ihre eigenen) Datenpraktiken? Welches Bildungsverständnis liegt dort vor? Welches (Daten-)Problem soll das Softwareprodukt lösen? Wie charakterisieren sie zentrale Beziehungen, Rollen und Aufgaben der Lehrkräfte, Schulleitungen, Schüler*innen, Schulaufsicht und weiterer Nutzer*innen? Wie charakterisieren sie ein „gutes Produkt“, eine „gute Nutzer*in“, einen „guten Unterricht“ und eine „gute Schule“? Welche Werte und Prioritäten werden in die Software eingeschrieben? Abschließend (Schritt 4) wurden Interviews mit Nutzer*innen von Schulinformationssystemen in den 8 Schulen durchgeführt, um zu erheben, wie Schulinformationssysteme zum Einsatz kommen und welche lokalen Lösungen es gibt.